Retoucher Daumen runter

Digitale Bildbearbeitung und die Grenzen des Machbaren

Als Retouch Artist ist die digitale Bildbearbeitung mein täglich Brot.

Meistens arbeite ich mit RAW Material, direkt vom Fotografen. Aber ab und an sind auch mal vom Kunden eingekaufte Stockfotos mit dabei (weil zu teuer bzw. aufwendig sie selbst zu machen), die aufgehübscht oder in einem Composing verbaut werden sollen. Und leider hab ich in der letzten Zeit auch ab und an ein mieses Stockfoto retouchen müssen.

Stockfotos die vom Urheber schon bearbeitet wurden und zwar nicht auf die gute Art.  Da wird dann mal eben eine mit dem Zauberstab und harter Kante freigestellte Giraffe in eine afrikanische Savanne reincomposed, obwohl das Licht und die Perspektive überhaupt nicht passt und – uuups – auch die Mähne und der Schatten vergessen. Naja, fällt ja in der Bildvorschau vom Stockanbieter doch schon nicht auf, oder? So kommt es mir zumindest oft vor. Ein professioneller Bildbearbeiter war da jedenfalls nicht am Werk!

Oder die Klassiker:

  • das Bild ist eigentlich pixelmäßig viel zu klein für den Verwendungszweck
  • hat kein eingebettetes Profil oder nur sRGB obwohl es für Print verwendet werden soll
  • und die meiste Bildinformation ist beim Entwickeln, Umwandeln und Komprimieren auch auf der Strecke geblieben.

Wie kommen solche Bilder durch den Stockanbieter Quality Check?

Man müsste doch meinen dass die auch nur qualitativ hochwertige Bilder anbieten wollen, damit der Kunde happy ist und gerne wiederkommt. Aber irgendwie achten die anscheinend auf andere Kriterien als ich, die die Bilder dann zwecks digitaler Bildbearbeitung in die Finger bekommt.

Wobei das zum Glück immer seltener vorkommt, dank optimalem Retouch Briefing und perfekter Vorbesprechung zwischen dem Kunden und mir!

Denn natürlich kann man durch Bildbearbeitung wieder einiges rausholen:

  • Kanten absoften
  • Profile anlegen
  • Lichtstimmung so weit es geht angleichen

    aber spätestens bei verlorener Struktur wird es tricky. Dann muss ich tief in die Trickkiste greifen, Struktur malen, mit Rauschen faken oder wiederum aus anderen Bereichen/ Bildern Pixel transplantieren. Und spätestens bei sehr unscharfen Bildern ist Schluss. Ein bisschen nachschärfen ist vielleicht noch drin aber am Ende sind Bildbearbeiter auch keine  Zauberer.

Nein, auch digitale Bildbearbeitung kann nicht jedes Foto retten!

Wirklich unscharfe Bilder bleiben unscharf, egal was man versucht.

Und schlecht gemachte Composings kann man natürlich wieder auseinander pflücken und besser zusammensetzten. Ob du das Geld und die Zeit dafür investieren willst ist dagegen eine andere Frage…

Deshalb kann ich nur empfehlen, guck Dir die Bilder ganz genau an, bevor Du sie einkauft!

  1. Wie groß ist das Bild, reicht es aus für den Verwendungszweck?
  2. Liegt die Schärfe dort wo sie sein soll?
  3. Sieht irgendetwas komisch oder auffällig unpassend aus?
  4. Sind Bildteile viel zu dunkel oder zu hell ausgebrannt (kann beim Jpg nur bedingt ausgeglichen werden bevor z.B. anfängt zu rauschen)
    Optimal: guckt euch wenn möglich die Originaldaten an, damit ihr wisst was ihr bekommt.
  5. zur Not: eingekauftes Bild reklamieren und umtauschen!

 

Und wenn Du nicht sicher bist, fragt ruhig beim Bildbearbeiter deines Vertrauens nach! Denn auch die Bildauswahl VOR Projektbeginn gehört zu meinem Job als High End Retoucher.